Sonntag, 28. Juni 2009

Der Fischer Abu Kensih

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Es geht die Legende von einem Riesenfisch unbekannter Art, der nachts Boote vor Anker wie auch in Fahrt zerstörte. Das Ungetüm hielt die ganze Küste in Atem und es war ihm nicht beizukommen. Bei allen Versuchen, es zu töten oder zu verjagen, waren Verletzte, sogar Vermisste und Tote zu beklagen. Bald wurde es seiner fahlen Haut wegen "der Graue Tod" genannt und eine hohe Belohnung für denjenigen ausgesetzt, der dieser Plage ein Ende bereiteten würde. Das Untier tauchte jedoch zu unregelmäßig und unvermittelt auf, als dass sich ein Erfolg hätte einstellen können.

Bis schließlich ein armer Fischer verbotenerweise nachts in fremden Gewässern fischte, um sich in diesen kargen Zeiten ernähren zu können. Die Fischbestände der legalen Gebiete brachten nicht mehr genug ein, und dies ließ dem Oberhaupt der vielköpfigen Familie keine Wahl. Auf offenem Meer tauchte das Ungeheuer plötzlich vor dem überraschten Mann auf, zerriss dessen Netz und verfolgte ihn bis ans Ufer, kam dort ins Flachwasser und erstickte schließlich dort während der einsetzenden Ebbe.
Die ausgesetzte Belohnung wurde dem Fischer versagt, da das Ungetüm eines natürlichen Todes gestorben sei; statt dessen sollte der Mann gar wegen unerlaubten Fischens bestraft werden. Der Fischer betonte jedoch, das Untier sei nicht erstickt, vielmehr habe er es durch einen Hieb mit seinem Schuh erschlagen. Als man ihn daraufhin auslachte, rächte sich der Fischer in der folgenden Nacht, indem er den Riesenfisch mithilfe seiner Verwandten bis auf die Knochen verzehrte und auch diese noch ins Meer versenkte. Die Obrigkeit, so ihrer Trophäe beraubt, wollte den Mann ins Gefängnis werfen, jedoch stellte sich das Volk auf seine Seite und befreite ihn.

So geht die Legende.

Sonntag, 21. Juni 2009

Paddling Bernhard

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Dieser Beitrag schließt vorläufig die Vorstellung von Othmar Mahlmeisters Texten ab. Der Flusslauf der Saône bildet den Hintergrund für eine paddelige Fahrt, bei der sich eine innere Reise nach außen stülpt. Die erlebten Emotionen werden zu Stationen dieser Fahrt, die sich am Ende mit dem wohl besten Bild für ein heimeliges Zuhause abrundet. Wieder ein gutes Beispiel für Othmars Sprachkünste, wie man sie auch in seinem empfehlenswerten Buch "Weiße Reise" finden kann. Aber man höre selbst.

Sonntag, 14. Juni 2009

Rechner klemmt

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Wenn es in Gedichten Slapstick gäbe, sähe man in diesem von Othmar Mahlmeister wohl Buster Keaton vor einem Rechner sitzen. Auch hier zahlt es sich aus, auf Feinheiten zu achten, die der Autor kunstvoll bereitzustellen weiß. Sprachlich in Spiralen kreisend, erzählt der Text von einem technischen Defekt, der schließlich zur Vereinsamung des Protagonisten führt, dessen Lebensinhalt am Ende wie eine Seifenblase zerplatzt.

Montag, 8. Juni 2009

Ethik einer Weißwursthaut

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Die noble Blässe einer Weißwurst, die sich spät, aber nach alter Tradition noch vor dem Zwölfeläuten verspeisen lässt und das Wörtchen "kondomiert" nur angewidert in den Mund nimmt - sie wird im Text von Othmar Mahlmeister mit hoher Sprachkunst beschrieben. Wenn sich Würste mit Vornamen riefen, wären sie wohl alles Kürte, wie sollte es wohl anders sein. In diesem und vielerlei anderen Sinnen beginnt der Ohrenschützer eine für ihn und hoffentlich auch für seine Hörer hoch inspirative "weiße Reise" (so der Titel eines Buchs von Othmar) in die Blätterwelt des fotografierenden Lyrikers (oder lyrischen Fotografen?)...

Mittwoch, 3. Juni 2009

Der Strauch der Erinnerung

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Der Ohrenschützer hat sich schon an verschiedenen Genres versucht, nie jedoch an einem Märchen. In knapp einer Stunde verfasst, mit der inneren Vorgabe, ohne Bösewicht oder im Vordergrund stehenden moralischen Zeigefinger auszukommen, bedient sich der Text der klassischen Stilistik: Ein Zwerg wird von einem Wanderer besucht, der ihm verspricht, für ein Nachtlager seine dringendste Frage zu beantworten...